Menstruation und Hygieneartikel. Zwei unangenehme und mit Scham besetzte Themen. Gut, dass wir auf dem #-Gesundheit-Blog unter uns sind und auch bei diesen Inhalten kein Blatt vor den Mund nehmen. Auch wenn die Monatsblutung keine Krankheit darstellt, kann sie definitiv als gesellschaftliches Tabu bezeichnet werden. Warum die Menstruation etwas mit Gesundheit zu tun hat, wieso Monatshygiene auch im 21. Jahrhundert noch eine Herausforderung darstellt und was das britische Könighaus damit zu tun hat, klären wir im folgenden Artikel auf.
Für diesen Blogartikel begeben wir uns gedanklich auf die Reise in das ostafrikanische Land Uganda. Während meiner Mittagspause komme ich eher zufällig mit der Thematik in Berührung. Meine Kollegin erzählt mir von ihrem neuen Hobby: sie näht wiederverwendbare Damenbinden für eine Schule in ihrem Dorf. Eine exotische Freizeitbeschäftigung, die mich im ersten Moment zum Schmunzeln brachte. Doch der Hintergrund ist ernst:
Viele Mädchen in Uganda haben keinen Zugang zu Hygieneprodukten. Behelfsmäßig versuchen sie mit alten Lappen ihre Blutung zu stoppen und bleiben aus Scham und Angst vor sichtbaren Unfällen der Schule fern. In der Folge nehmen sie nicht vollumfänglich an der Schulbildung und am gesellschaftlichen Leben teil. Durch die Tabuisierung wissen die jungen Frauen nicht, wie die Hygienebehelfsmittel angemessen gereinigt werden und Infektionen können folgen. Ein Zustand, der sich mit der Health-in-all-Policies-Philosophie der WHO und dem Leitgedanken der Chancengleichheit nicht vereinen lässt.
Nicht nur eine Thematik für Frauen in Entwicklungsländern
Die ugandischen Mädchen sind keine Einzelfälle. Überall auf der Welt befinden sich Frauen in derselben Lage. Nach Angaben der vereinten Nationen haben schätzungsweise 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu angemessenen sanitären Anlagen – eine echte Herausforderung für eine
hygienische Menstruation.[1] Die Defizite in der Versorgung speziell für Frauen liegen darüber hinaus in der Tabuisierung von Menstruationsbedarf, der mangelnden Verfügbarkeit oder den fehlenden finanziellen Ressourcen zum Erwerb dieser. Insbesondere die letztgenannte „Menstruationsarmut“ liegt näher vor unserer Haustür, als gedacht. Unter dem Hashtag freedom4girls verbirgt sich eine Hilfsorganisation, die nicht nur Mädchen aus Entwicklungsstaaten mit Menstruationsequipment versorgt, sondern sich auch im vereinten Königreich für diese Zielgruppe stark macht. Daten der WHO zeigen, dass 90 % der Schülerinnen in Mazedonien auf dem Land vier bis fünf Tage während ihrer Periode nicht zur Schule gehen- in städtischen Gebieten sind es „nur“ 75 % für zwei bis drei Tage.[2]
Je nach Region variieren die Gründe für die Mangelversorgung
Springen wir etwas weiter auf dem Erdball nach Indien. Hier haben zirka 320 Millionen Frauen keinen Zugang zu Hygieneartikeln. Für Indien ist relativ gut dokumentiert, dass nicht ausschließlich die Verfügbarkeit der Produkte eine Herausforderung darstellt, sondern die Stigmatisierung und der Scham beim Kauf dieser. Im kulturellen Verständnis gilt das Menstruationsblut -und somit auch die Frau- als unrein, wodurch die Thematik in der Öffentlichkeit gemieden wird und schon gar nicht zwischen den verschiedenen Geschlechtern thematisiert wird. Das erschwert wiederum den Kauf von Hygieneprodukten, da sich ein Großteil der Drogeriegeschäfte in männlicher Führung befinden.
Zwei Beispiele für Hilfe zur Selbsthilfe
Es gibt mittlerweile viele Initiativen, die sich mit der Menstruationsversorgung beschäftigen und wirklich bedeutungsvolle Arbeit für die (jungen) Frauen leisten. Zwei dieser Initiativen werden hier stellvertretend vorgestellt.
Die Myna Mahila Foundation ist eine von sieben Organisationen, die mit den Spenden zum Ehren der royalen Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle unterstützt wurde. Die indische NGO beschäftigt Frauen aus der Community zum Herstellen von Hygieneartikeln. Die Erlöse kommen wiederum den Gesundheitseinrichtungen und der Community zugute. Darüber hinaus werden die Frauen über ihre Menstruation und Hygiene aufgeklärt und bei Bedarf an Gynäkologen und anderes medizinisches Fachpersonal überwiesen.
Der regionale Ansatz orientiert sich stark am Aufbrechen der gesellschaftlichen Tabus durch die Vermittlung von Wissen und Aufklärung der Frauen. Darüber hinaus schafft die NGO Beschäftigungsverhältnisse und stärkt die wirtschaftliche Unabhängigkeit der weiblichen Beschäftigten.
Während in Indien nicht die Verfügbarkeit, sondern die gesellschaftliche Abwertung für den Versorgungsmangel verantwortlich ist, ist in Uganda die finanzielle Belastung für Hygieneartikel einer der Hauptgründe für die fehlende Versorgung. Dementsprechend stehen die Finanzierbarkeit und Kosteneffektivität bei Lösungen im Vordergrund. Aufgrund dieser Argumente nimmt die Bedeutung von wiederverwendbaren Damenhygieneartikeln zu.
Zahlreichen lokale Initiativen wie Schulen, Krankenhäuser oder auch das Projekt meiner ugandischen Kollegin haben kleine Initiativen gegründet, die den Schülerinnen und jungen Frauen zeigen, wie sie mit den richtigen Materialien ihre Binden selbst nähen und pflegen können.
Aus der Perspektive der öffentlichen Gesundheit
Die Weltgesundheitsorganisation, Weltbank und Vereinten Nationen sowie andere große internationale Organisationen haben das Thema Menstruationshygiene und Zugang zu sanitären Anlagen auf ihre Agenda gesetzt und nennen dieses in einem Zug mit den angestrebten Social Development Goals. Konkrete Programme der Akteure zur Verbesserung der Situation hingegen, konnte ich bei meinen Recherchen fast ausschließlich auf kommunaler Ebene durch NGOs finden. Eine Ausnahme bildet hier Schottland, wo an Schulen und Universitäten Hygieneartikel kostenlos ausgegeben werden, um dafür zu sorgen, dass das Fehlen von Hygieneartikeln kein Grund für ein Fehlen und Fernbleiben von Bildung wird.
Es gilt also die Thematik international weiter zu verfolgen, um sich nicht auf dem Flickenteppich aus kommunalen Insellösungen zur Verbesserung der Situation von vulnerablen Frauen auszuruhen.
Mehr Informationen und die Petition findet ihr hier