Blogbeitrag

Wer schon einmal eine Krankmeldung bekommen hat, hat sie gesehen: Eine Kombination aus alphanumerischen Zeichen. Bei einer Erkältung beispielsweise wird diese mit dem Code „J06.9“ verschlüsselt. Hierbei handelt es sich um sog. ICD-Codes. Die Abkürzung „ICD“ steht für die „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“. Der Herausgeber ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Je nach Land gibt es spezifische Kataloge, welche sich geringfügig voneinander unterscheiden.

Jeder Bereich entwickelt sich weiter – auch die Krankheiten

Unsere Umwelt und die Gesellschaft befinden sich im stetigen Umbruch. Gründe sind u. a. Globalisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel. Jeder Lebensbereich ist in irgendeiner davon Form betroffen. Ebenso entwickeln sich auch Krankheiten und unser Umgang mit ihnen weiter. Teilweise werden sie resistenter gegen medikamentöse Therapien oder sie werden ausgerottet. Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, wird auch der ICD-Katalog in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Für Homosexuelle gibt es eine Therapie

Vor rund 30 Jahren – Anfang der 90er-Jahre – wurde ein Krankheitsbild aus dem ICD-Katalog entfernt (entpatho-logisiert): die Homosexualität. In Deutschland wurde sie zudem kurz zuvor entkriminalisiert. Allseits bekannt sollte sein, wenn man nicht krank ist, dann benötigt man auch keine Therapie. Diesem medizinischen und logischen Grundsatz folgt nicht jeder. Bei einer Therapie erwartet man im besten Fall einen Therapieerfolg. Dieser ist nicht immer garantiert – die Gründe hierfür sind in der Regel sehr vielschichtig. Bei einer konkreten Behandlung kann man von Beginn an davon ausgehen, dass sie keinen Erfolg haben wird – die Konversionstherapie für Homosexuelle. Laut einer Schätzung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung gibt es in Deutschland rund 1.000 Fälle in denen eine Konversionstherapie angewendet wird. Der Begriff stammt aus dem lateinischen und bedeutet Umwendung oder Umkehr. Ziel dieser Behandlung ist es, die homosexuelle Neigung abzulegen und eine heterosexuelle Neigung anzunehmen.

Verschiedene nationale und internationale ärztliche Organisationen, wie z. B. der Weltärztebund oder der Deutsche Ärztetag, warnen vor sog. „Pseudotherapien“. Es gibt keine medizinische Indikation für eine Konversionstherapie. Des Weiteren liegt keine Evidenz vor, dass Homosexualität durch äußere Einflüsse verändert werden kann. Dies geht u. a. aus einem Gutachten des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg hervor. Die Konversionstherapie hat für die Betroffenen zwar Folgen, jedoch sind diese durchweg negativ. Beispielhafte Auswirkungen können unter anderem Depressivität, Angst und/oder Suizidalität sein.

Die Homoheiler sollten verboten werden

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lässt derzeit ein Verbot solcher Therapien prüfen. Hierzu wurde im April 2019 eine Fachkommission mit der Thematik betraut. Diese unterstützt das Vorhaben aufgrund der vorher genannten Punkte. Noch in diesem Jahr ist ein Gesetzentwurf geplant. Ein Verbot ist dabei mehr als notwendig. Einige Personengruppen sehen dies jedoch anders und halten ein solches für unnötig. Hintergründe für die Ablehnung eines Verbots sind in den meisten Fällen ideologische und/oder religiöse Werte und Ansichten. So wird in vielen Teilen der großen Weltreligionen Homosexualität als eine Sünde angesehen. Hierbei entwickelt sich eine internalisierte Homophobie, welche bei den Betroffenen zu inneren Widersprüchen und zur Angst vor Ablehnung (vor allem innerhalb der Gemeinde) führt. Viele stark religiöse Menschen suchen sich in erster Linie Hilfe bei „Homoheilern“. Diese gibt es nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in Ländern wie Brasilien oder afrikanischen Ländern. In der Vergangenheit (teilweise noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts) wurden sogar Foltermethoden angewandt, um die Homosexualität zu heilen. Die „Patienten“ erhielten Stromschläge oder ihnen wurde Brechmittel injiziert.

Trotz gegenteiliger medizinischer Erkenntnisse, wird an der Konversionstherapie festgehalten. Einige Ärzte rechnen diese Kosten sogar mit den Krankenkassen ab. Als Gebührenposition werden hierbei dann Gesprächstherapien angegeben. Die Abrechnung von Einzeltherapien erfolgt nach den Gebührenordnungspositionen im EBM-Abschnitt 35.2.1. Problematisch daran ist, dass der Inhalt der Therapiegespräche den gesetzlichen Kassen nicht bekannt ist – eine Intervention, durch diese oder übergeordnete Instanzen, ist dementsprechend kaum möglich. Die Finanzierung solcher „Therapien“ findet dabei über die Solidargemeinschaft statt.

Eine Therapie kann helfen

Zusammenfassend betrachtet sprechen medizinische, rechtliche und ethische Gründe, meines Erachtens nach, eindeutig gegen die Durchführung einer Konversionstherapie. Ein Verbot in Deutschland ist bereits seit mehreren Jahren in Planung, eine Umsetzung bleibt bisher jedoch aus.

Doch reicht eine normative Regelung alleine aus? Dies würde ich klar mit „Nein“ beantworten.

Denn Menschen, die eine solch starke Ablehnung und Intoleranz gegen andere Lebensweisen/-welten und sexuelle Neigungen haben, können auch durch rechtliche Normierung nicht zum Umdenken bewogen werden. Wir brauchen in unserer Gesellschaft eine höhere Akzeptanz und Toleranz (nicht nur für homosexuelle Lebensweisen). Vielleicht benötigen eher solch homophobe Personen eine Therapie – aber eine evidenzbasierte.

Christopher Vedder

29 Jahre, wohnt und arbeitet in Neu-Isenburg.

Seit zwei Jahren bin ich als Teamleiter im Bereich Arbeitsunfähigkeit und Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse tätig. Im März 2018 habe ich den berufsbegleitenden Bachelor in Wirtschaft und Management an der FOM in Frankfurt beendet. Aktuell studiere ich im Master of Science Medizinmanagement, ebenfalls an der FOM. Die Themengebiete Gesundheitspolitik, Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft und Führung interessieren mich sehr. Bei Hashtag Gesundheit bin ich u. a. für den Bereich Blog(-Redaktion) zuständig.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Paul Franzke
    Paul Franzke
    18. Februar 2020 19:57

    Sehr guter Artikel! Ich unterstützte in jedem Fall eine evidenzbasierte Therapie für Homophobe. 😉

    Antworten
    • Christopher Vedder
      Christopher Vedder
      10. März 2020 22:36

      Danke Dir Paul 🙂 Vielleicht kommt ja Mitte diesen Jahres das entsprechende Gesetz – ob es hilft ist die andere Frage.

      Antworten

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