Blogbeitrag

Was passiert nach dem Ankommen?

Wie föderale Strukturen die Gesundheitsversorgung von Menschen mit Fluchthintergrund beeinflussen

“The enjoyment of the highest attainable standard of health is one of the fundamental rights of every human being without distinction of race, religion, political belief, economic or social condition“
World Health Organisation: Preamble of the Constitution (1946).

Ausgehend von der Prämisse, dass der Zugang zu Gesundheit ein Menschrecht ist, wurde beim Kongress Armut und Gesundheit zum Thema „Politik macht/Macht Gesundheit“ am 14. und 15. März 2019 an der TU Berlin unter anderem über Migration und Gesundheit diskutiert. Was für mich dabei besonders deutlich wurde: der Föderalismus, als eines der zentralen Ordnungsprinzipien des Gesundheitswesens in Deutschland, erschwert Menschen mit Fluchthintergrund den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Er sorgt für einen Flickenteppich unterschiedlicher Versorgungsformen und deren Zugängen.

Wie sich die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber*innen in Deutschland gestaltet

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass ich hier nur über Asylbeweber*innen, also Personen, die nach Deutschland gekommen und in Deutschland registriert sind, schreibe. Ein ebenfalls breites Feld für Fragen und Diskussionen biete die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papieren (also diejenigen ohne legalen asylrechtlichen Aufenthalt in Deutschland). Diese haben grundlegend keinen Zugang zur Regelversorgung, solange sie sich nicht als asylsuchend melden oder durch z.B. medizinisches Personal gemeldet werden (Übermittlungspflicht durch medizinisches Personal = Zugangsbarrieren).

Gesundheitsversorgung von Asylbewerber*innen:
  • Eingeschränkter Leistungsanspruch nach §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) während der ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland
  • Entweder durch den Erhalt eines Behandlungsscheines durch das zuständige Sozialamt oder durch die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) durch die Kommune/das Bundesland
  • Zugangsbarriere Behandlungsschein: Ausgabe im eigenen Ermessen durch nicht-medizinisches Personal (willkürliche Auslegungen des Leistungsumfangs?!)
  • eGK nur in manchen Kommunen/Bundesländern erhältlich, i. d. R. wird dazu ein Rahmenvertrag zwischen Bundesland/Kommune und Krankenkassen geschlossen (beruht auf §§ 4 und 6 AsylbLG in Verbindung mit 264 SGBV)
  • § 4 AsylbLG umfasst erforderliche (zahn-)ärztliche Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, §§ 6 AsylbLG umfasst die Gewährung sonstiger Leistungen, im § 264 Absatz 1 SGB V wurde durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (10/2015) die Krankenbehandlung für Leistungsberechtigte neu definiert à Kostenträger sind Bundesländer oder Städte!

Hier ist der Gesetzgeber für bundeweite rechtliche Rahmenbedingungen zur Verpflichtung aller Länder und Kommunen gefragt, die den gleichen diskriminierungsfreien und einfachen Zugang zu erforderlichen Gesundheitsleistungen für ALLE gewähren

Wie hier deutlich wird, ist der Zugang zur medizinischen Versorgung für Asylbewerber*innen bürokratisch und schwierig gestaltet. Durch die Ausgabe einer eGK entfallen jedoch immerhin die Zugangsbarrieren, die beim Behandlungsschein bestehen; die Scham bei Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ist geringer und die Problematik bezüglich der Bewertung des Leistungsumfanges entfällt zumindest teilweise. Diese bleibt vereinzelt noch für Ärzt*innen bestehen, da die Auslegung der Leistungen nach AsylbLG immer wieder für Diskussionen sorgt (bspw. bei der Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Erkrankungen – beides kann mit einem Schmerzzustand einhergehen). Leider wird die eGK zurzeit nur in neun Bundesländern (bzw. in Teilen davon) ausgegeben. Oftmals ist die politische Ablehnung mit Angst vor Mehrkosten und „Ärzt*innen- Hopping“ begründet. Dabei sei betont, dass Mehrkosten wohl eher auftreten, wenn der Gesundheitszustand sich nach der restriktive Vergabepraxis der Behandlungsscheine verschlechtere und die Inanspruchnahme von Notdiensten steigt. Hinzu kommt, dass Menschen mit Fluchthintergrund durch die eGK im Abrechnungssystem der Krankenkassen eingegliedert sind und somit Verwaltungskosten bei den zuständigen Sozialbehörden gespart werden. Die Nutzung der eGK hat z. B. in Bremen Kosteneinsparungen gezeigt!

Hemmnisfaktor Föderalismus

Die unterschiedliche Ausgestaltung zwischen den Bundesländern (durch Landesrahmenvereinbarungen) und innerhalb der Bundesländer (wenn z. B. der örtliche Träger dagegen ist) lassen sich auf die föderalen Strukturen zurückführen. Alle neun Bundesländer, in denen die Implementierung der eGK beschlossen wurde, hatte zu dem jeweiligen Zeitpunkt eine Regierung aus (jeweils und/oder)  der SPD, den Grünen oder den Linken. Für mich wird daraus deutlich, dass ein deskriptiver Zusammenhang zwischen der zum Entscheidungspunkt agierenden Regierung und der Art des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für Asylbewerber*innen besteht. Es lässt sich vermuten, dass die Einführung oder Ablehnung der eGK eine rein poltische Entscheidung auf Landesebene ist.

Die auf Landesebene beruhenden Regelungen können keine Option bleiben. Hier ist der Gesetzgeber für bundeweite rechtliche Rahmenbedingungen zur Verpflichtung aller Länder und Kommunen gefragt, die den gleichen diskriminierungsfreien und einfachen Zugang zu erforderlichen Gesundheitsleistungen für ALLE gewähren.

Was (für mich) besonders deutlich wurde: der Föderalismus, als eines der zentralen Ordnungsprinzipien des Gesundheitswesens in Deutschland, erschwert Menschen mit Fluchthintergrund den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Er sorgt für einen Flickenteppich unterschiedlicher Versorgungsformen und deren Zugängen.

Justine Krause

Ich studiere den interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Master „Organisation, Governance, Bildung“ an der TU Braunschweig. Meine Schwerpunktfächer sind Soziologie und Politikwissenschaften. Zurzeit schreibe ich meine Master Arbeit zum Thema „Policy Analyse zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten“. Neben dem Studium bin ich ehrenamtlich bei der Seebrücke Bewegung in Berlin tätig. Wir setzten uns für die Entkriminalisierung von Seenotrettung ein.

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