Public Health in Kenia – Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Strategien

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Eine dezentrale, auf Länderebene organisierte ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung: Auf den ersten Blick klingt das Gesundheitssystem Kenias wenig unbekannt und neuartig – doch bei einem genaueren Blick auf die kommunale Ebene zeigen sich spannende Public Health-Strukturen in der Prävention und Gesundheitsförderung.

Nachdem 2017 56,4 % der Ausgaben in kurative Gesundheitsversorgung und nur 15,2 % in präventive Gesundheitsleistungen flossen, definierte die Kenya Vision 2030 eine Verschiebung von einem kurativem zu einem präventiven Ansatz als eine Säule zur Reduktion der nationalen Gesundheitskosten. 

Hauptmerkmale des Public Health Systems der Republik Kenia: Dezentralisierung und bottom-up Organisation

Die Kenya Health Policy 2014 – 2030 definiert vier Stufen des Gesundheitssystems, (1) die Kommunen, (2) die Grundversorgung (in health centres and dispensaries), (3) die primäre Überweisung (in sub-county– und county-Krankenhäuser) und (4) die tertiäre Überweisung (in nationale Krankenhäuser). Mit Ausnahme der nationalen Krankenhäuser werden die Gesundheitseinrichtungen von halbautonomen Gebietskörperschaften verwaltet. In diesen sog. counties finden sich neben öffentlichen Krankenhäusern auch Einrichtungen in privater und religiöser Trägerschaft.

Die Kommunen bilden den Zugang zur Gesundheitsversorgung, -prävention und -förderung durch sog. community health units (CHU). Jede CHU ist mit einer Gesundheitseinrichtung der Grundversorgung im Umkreis verknüpft, von der aus je nach Bedarf weitere Überweisungen möglich sind.

Die kommunale Gesundheitsstrategie: Ein bevölkerungsweiter Multiplikatorenansatz für Gesundheitsversorgung, -prävention und -förderung

Die community health strategy (CHS) bildet die Grundlage der dezentralen bottom-up Organisation des kenianischen Public Health Systems. Die CHS löst den früheren Ansatz mit einem Fokus auf Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung ab; dieser führte trotz erhöhter Gesundheitsausgaben zu einer Verschlechterung der epidemiologischen Daten. Zielgruppen der Gesundheitsförderung sind neben den (1) Kommunen zudem (2) Schulen, (3) Krankenhäuser und (4) spezielle Lebenswelten (bspw. Gefängnisse). Schulen und Krankenhäuser können durch Lehrer:innen und Gesundheitspersonal als Multiplikator:innen adressiert werden. Für die Kommunen, die größte Zielgruppe, definiert die CHS eigene Multiplikator:innen als Zugang zu Gesundheitsversorgung, -prävention und -förderung.

Jede community health unit (CHU) wird von community health committees (CHC), bestehend aus gewählten Mitgliedern der Kommune, verwaltet. Personelle Unterstützung erhalten sie von den County Regierungen durch community health assistants (CHA), community health officers (CHO) und Mitgliedern der Kommunen mit Weiterbildung zu community health volunteers (CHV). Übergreifend wird die kommunale Gesundheitsarbeit von sub-county health management teams (SCHMT) und diese wiederum von county health management teams (CHMT) koordiniert. SCHMTs und CHMTs sind interdisziplinäre Teams mit Expertise in Medizin, Pflege, Physiotherapie, Ernährungswissenschaften, Psychologie, Reproduktionsgesundheit und Geschlechtskrankheiten.

Quelle: Eigene Darstellung. (In Anlehnung an: Ministry of Health of the Republic of Kenya (2020), Kenya Community Health Policy 2020-2030.)

Möglichkeiten und Grenzen der kommunalen Gesundheitsstrategie

Die community health strategy (CHS) bietet die Möglichkeit, die Gesundheitserziehung als eine der Kernmethoden der Prävention und Gesundheitsförderung in der Republik Kenia effektiv zu gestalten. Ein Großteil der Meinungsbildung über Gesundheitsthemen findet im direkten sozialen Umfeld statt. An dieser Stelle können die community health committees (CHC) und community health volunteers (CHV) mit einem direkten Bezug zu den Menschen in den Kommunen die sub-county health management teams (SCHMT) und county health management teams (CHMT) unterstützen. Beispielsweise bei der COVID-19-Impfung spielten kommunale Ansätze eine maßgebliche Rolle, das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsinformationen der Regierung zu sichern.

Bei der praktischen Evaluation zeigen Supervisionen der CHMT hingegen Raum für Weiterentwicklung und Verbesserung, die community health units (CHU) mit Einrichtungen der Grundversorgung zu verknüpfen. An diese wird die Bevölkerung hauptsächlich für kurative Gesundheitsversorgung überwiesen. In Planungstreffen der CHCs und CHVs sowie bei Aktivitäten der Prävention und Gesundheitsförderung in den CHUs wird die medizinische und pflegerische Expertise des Gesundheitspersonals in den Einrichtungen hingegen nur unzureichend integriert.

Insgesamt bilden im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung die community health strategy und die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung in vielen Gegenden Kenias noch zwei Systeme. An dieser Stelle zeigt sich weiteres Potenzial einer effektiveren Zusammenarbeit, um das Ziel der nationalen Verschiebung von einem kurativem zu einem präventivem Ansatz zu erreichen.


Quellen:

County Government of Nyeri. “Nyeri County Health Accounts, FY 2013/14 and 2014/15.” Nyeri County Health Services, 2015.

Hussein, S.; Otiso, L.; Kimani, M.; Olago, A.; Wanyungu, J.; Kavoo, D.; Njiraini, R.; Kimanzi, S.; Karuga, R. “Institutionalizing Community Health Services in Kenya: A Policy and Practice Journey.” 9 vols. Global Health: Science and Practice, 2021.

Khaoya, D., P. Abonyo, and S. Muchiri. 2019. “Kenya County Health Accounts: Summary of Findings from Nine Deep-Dive Counties, FY 2016/17.” Palladium Health Policy Plus, 2019.

Republic of Kenya. “Kenya National Health Accounts 2015/2016.” Ministry of Health, 2017.

Republic of Kenya. “Kenya Community Health Strategy 2020-2025.” Ministry of Health, 2020.

Republic of Kenya. “Kenya Community Health Policy 2020-2030.” Ministry of Health, 2020.

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Katja Stenzel

Katja Stenzel studiert im Master Gesundheitsökonomie an der Uni Bayreuth und brennt für alles rund um das Thema Gesundheitsförderung & Prävention. Praktische Einblicke erwarb sie in Praktika in Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) im Produktionssektor, Public Health auf Bundesebene und Gesundheitsförderung auf Krankenkassenebene. Derzeit vertieft sie als Werkstudentin ihre BGM-Kenntnisse im IT-Dienstleistungssektor.

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