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Das Gesundheitssystem in Thailand – ein Überblick
Wusstet ihr, dass Thailand bereits im Jahr 2002 bedeutende Fortschritte bezüglich Universal Health Coverage (UHC), was laut der GIZ so viel bedeutet wie “Universelle soziale Absicherung im Krankheitsfall” (GIZ, o. J.), gemacht hat? Damit sticht das südostasiatische Land mit seinen knapp 70 Millionen Einwohnern im Vergleich zu anderen Low-and middle-income countries (LMICs) heraus. Thailands Gesundheitssystem wird manchmal sogar zu den besten der Welt gezählt (Bangkok Post, 2019). Doch was hat es damit auf sich?
In Thailand ist die Lebenserwartung von Frauen und Männern auf 77 bzw. 70 Jahre gestiegen. Ähnlich wie in Ländern mit hohem Entwicklungsstand sind nicht-infektiöse Erkrankungen die Haupttodesursache (WHO, 2015). Insbesondere seit 2002 prägen umfangreiche Reformen das thailändische Gesundheitssystem.
Organisation & Finanzierung
Die Gewährleistung der Gesundheitsversorgung obliegt dem Thailändischen Gesundheitsministerium (Ministry of Public Health, MOPH). Infolge des Dezentralisierungsgesetzes 1997 erfolgte die Etablierung autonomer Behörden und die dezentralisierte Steuerung der konkreten Gesundheitsleistungen. Dadurch hat das MOPH an vorrangiger Bedeutung verloren, ist aber weiterhin für Verwaltungsaufgaben und regulatorische Tätigkeiten zuständig.
Die Gesamtausgaben für Gesundheit prozentual am BIP beliefen sich 2015 auf etwa 4,5% (WHO, 2015). Zum Vergleich: OECD-Länder geben 10 bis 11% ihres BIPs für Gesundheit aus (Papanicolas et al., 2018). Im Jahr 2002 wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht: Durch die Implementierung eines Universal Health Coverage (UHC) Programms ist die gesamte Bevölkerung Thailands mit einem Krankenversicherungsschutz abgedeckt. Neben einem Civil Servant Medical Benefit Scheme (CSMBS) für Beamte und einer Social Health Insurance (SHI) für Angestellte im privaten Sektor deckt das Universal Coverage Scheme (UCS) den verbleibenden Teil der Bevölkerung ab. Das Ergebnis war ein großer Rückgang der Zuzahlungen aus eigener Tasche („out of pocket payments“) und somit eine erhöhte finanzielle Absicherung ärmerer Haushalte (WHO, 2015).
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WHO (2015)
Der Großteil der Ausgaben für Gesundheitsversorgung wird für kurative Leistungen verwendet (70% in 2002, 65% in 2012). Der Anteil, der für präventive Services verwendet wird, ist vergleichsweise klein (12% in 2002) und hat sich im Jahr 2012 auf 6% verringert.
Eine Besonderheit in der Finanzierung von Leistungen zur Gesundheitsförderung sind Steuern auf Tabak und Alkohol. Diese Steuereinnahmen werden direkt für Präventions-Kampagnen zum Beispiel im Bereich Rauchen, Alkohol oder HIV/AIDS verwendet (WHO, 2015).
Leistungserbringung
In Thailand übernehmen integrierte Versorgungsnetzwerke aus ambulanten Gesundheitszentren und Krankenhäusern die Versorgung mit Präventiv- und Primärversorgungsleistungen. Komplexere, spezialisierte Gesundheitsleistungen werden, mittels Zugang durch ein Überweisungssystem, in den Krankenhäusern erbracht. Thailands Krankenhaussystem basiert auf drei geografischen Stufen: Regionalkrankenhäuser, Bezirkskrankenhäuser, und pro Provinz ein überregionales Krankenhaus. Der Großteil der Krankenhäuser in Thailand ist in öffentlicher Trägerschaft. Besonders ist, dass Thailand Arten von traditioneller und anderer Komplementärmedizin als Gesundheitsleistungen anerkennt und erstattet. Schwierigkeiten und Versorgungsengpässe hingegen sind in Thailand in den Bereichen rehabilitativer Versorgung, Zahnmedizin, und Langzeitpflege zu finden (WHO, 2015). Bei rehabilitativer Versorgung und Zahnmedizin bestehen diese Schwierigkeiten aufgrund von regionalen Versorgungsunterschieden. Im Bereich der Langzeitpflege hat Thailand, wie auch viele andere Länder, mit den Herausforderungen des demografischen Wandels zu kämpfen (WHO, 2015).
Besonderheiten & Performance
Eine weitere Besonderheit ist, dass Thailands Notfallversorgung eher unkonventionell ist. Als Ersthelfer werden geschulte Freiwillige eingesetzt und Krankenwagen mit Fachpersonal nur im Bedarfsfall eingesetzt (Calderon, 2014). Wusstet ihr außerdem, dass Thailand das erste Land Südostasiens war, welches eine Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt hat? Des Weiteren ist Thailand weltweit führend im Bereich des Medizintourismus, insbesondere für Operationen zur Geschlechtsumwandlung und kosmetische Eingriffe (Chokrungvaranont et al., 2014).
Im Bereich der Performance des thailändischen Gesundheitssystems sind insbesondere die Themen „Financial Risk Protection“, also finanzielle Absicherung ärmerer Haushalte und „Health Outcomes“, die Ergebnisse erbrachter Gesundheitsleistungen, spannend. Durch die verbesserte „Financial Risk Protection“ seit der Einführung des UHC ging in den letzten 20 Jahren die Anzahl an Haushalten, die durch das Bezahlen von Gesundheitsbehandlungen verarmten, deutlich zurück. Bei den „Health Outcomes“ schneidet Thailand in der Versorgung von Müttern und Kindern im Vergleich zu anderen LMICs deutlich besser ab. Betrachtet man jedoch die Versorgung Erwachsener insgesamt, besteht zum Teil noch Aufholbedarf.
Ein herausragendes Ergebnis erzielte Thailand 2021 für die Sicherheit seines öffentlichen Gesundheitssektors (John Hopkins University’s Global Health Security Index). Thailand schnitt auf Platz 5 ab, während Deutschland nur auf dem 8. Platz gelistet wurde.
Zusammenfassung & aktuelle Herausforderungen
Zusammenfassend lohnt es sich, einen Blick auf Thailands Gesundheitssystem und die positiven Resultate, die bereits im Bereich des UHC gemacht wurden, zu werfen. Thailand hat jedoch auch mit einigen Herausforderungen zu kämpfen: Bisher hat man es nicht geschafft, bezahlbare und professionalisierte Langzeitpflege anzubieten, welche durch die aktuellen demographischen Entwicklungen weiter an Bedeutung gewinnt. Weitere Herausforderungen liegen im Bereich Mental Healthcare, Rehabilitation, und Palliativversorgung. Nichtsdestotrotz können viele LMICs, aber auch entwickelte Länder, in einigen Aspekten von Thailand lernen. Konkret könnte sich Deutschland beispielsweise die Fortschritte Thailands im Bereich der integrierten Versorgungsnetzwerke oder der Sicherheit des öffentlichen Gesundheitssektors abschauen.
Quellen:
Bangkok Post (2019). Thailand’s healthcare ranked sixth best in the world. Retrieved from https://www.bangkokpost.com/thailand/general/1746289/thailands-healthcare-ranked-sixth-best-in-the-world
Calderon, B. (2014). In Pictures: Thailand’s emergency volunteers. Retrieved from https://www.aljazeera.com/gallery/2014/4/26/in-pictures-thailands-emergency-volunteers/
Chokrungvaranont, P., Selvaggi, G., Jindarak, S., Angspatt, A., Pungrasmi, P., Suwajo, P., & Tiewtranon, P. (2014). The development of sex reassignment surgery in Thailand: a social perspective. TheScientificWorldJournal, 182981. https://doi.org/10.1155/2014/182981
GIZ (o. J). Universal Health Coverage – Universelle soziale Absicherung im Krankheitsfall. Retrieved from https://www.giz.de/de/weltweit/83972.html
Olarn, K., Goldschmidt, D. (2018). Thailand approves medical marijuana. Retrieved from https://edition.cnn.com/2018/12/25/health/thailand-medical-marijuana-bn/index.html
Papanicolas, I., Woskie, L. R., Jha, A. K. (2018). Health Care Spending in the United States and Other High-Income Countries. JAMA. 319(10): 1024-1039. https://doi.org/10.1001/jama.2018.1150
Royal Thai Embassy Washington D.C. (n.d.). Johns Hopkins ranks Thailand 5th in global health security. Retrieved from https://thaiembdc.org/2021/12/21/johns-hopkins-ranks-thailand-5th-in-global-health-security/
World Health Organization (WHO). Regional Office for the Western Pacific. (2015). The Kingdom of Thailand health system review. WHO Regional Office for the Western Pacific. Retrieved from https://apps.who.int/iris/handle/10665/208216
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