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Sollten Ärzte sich im Management weiterbilden?

Krankenhäuser in Deutschland sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert: steigende Kosten, divergierende Behandlungsqualität, teils widersprüchliche finanzielle Anreize und Prioritäten, Überlastung des klinischen Personals sowie mangelnde Integration der Patienten – um nur einige zu nennen. Vor diesem Hintergrund wird regelmäßig der Vorschlag geäußert, Führungspositionen in Krankenhäusern verstärkt mit Medizinern zu besetzen. Diese, so die Annahme, würden aufgrund ihrer klinischen Expertise, höherem Vertrauen seitens der Mitarbeiter und einer stärker patientenzentrierten Sichtweise das skizzierte Spannungsfeld auflösen und die Leistung der Einrichtungen verbessern. Häufig wird darüber hinaus empfohlen, die medizinische Ausbildung um eine Management-Weiterbildung zu ergänzen, um Ärzten die notwendigen Kompetenzen in diesem Bereich zu vermitteln.

Studie der Universität Bayreuth erweitert die eingeschränkte Evidenz

Die Studienlage zu diesem Themenbereich ist überschaubar, allerdings deuten erste Untersuchungen aus den USA darauf hin, dass ärztliches Engagement auf Top-Management-Ebene mit höherer Behandlungsqualität einhergeht (vgl. Dorgan et al. 2010; Goodall 2011; Tasi et al. 2019). An der Universität Bayreuth haben Gesundheitsökonomen nun die weltweit umfangreichste Untersuchung für ein Land durchgeführt. Anhand 370 deutscher Krankenhäuser wurde der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Ausbildungsart von Geschäftsführern auf die Behandlungsqualität und den wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtungen hat (vgl. Kaiser et al. 2020). Erfasst wurden Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität, die Patientenzufriedenheit sowie die finanzielle Leistung, wodurch ein differenzierteres Bild der Versorgungssituation entsteht.

Ökonomen erzielen höheren wirtschaftlichen Erfolg…

Die Untersuchung zeigt, dass Krankenhäuser mit Ökonomen in der Geschäftsführung einen höheren wirtschaftlichen Erfolg erzielen. Dies kann etwa durch nachteilige Ergebnisse im Bereich der Prozessorganisation in von Medizinern geleiteten Einrichtungen begründet werden. So warten Patienten dort länger auf eine Operation oder medizinische Leitlinien werden weniger rigoros umgesetzt. Diese Faktoren führen nicht zwingend zu schlechterer Qualität, sie weisen aber auf ineffiziente oder inkonsistente Abläufe hin, die höhere Behandlungskosten zur Folge haben können.

…Mediziner haben jedoch zufriedenere Patienten und teils bessere Qualität

In Übereinstimmung zu der bestehenden Evidenz zeigt sich, dass Krankenhäuser mit Medizinern als Geschäftsführer eine höhere Ergebnisqualität erreichen. Darüber hinaus ist die Patientenzufriedenheit in diesen Einrichtungen deutlich höher. Im Bereich der „weichen“ Qualitätsindikatoren, wie der Beweglichkeit von Knie- und Hüftgelenken nach endoprothetischem Ersatz, erzielen jedoch von Ökonomen geführte Kliniken bessere Ergebnisse. In diesen Bereichen besteht in der Regel ein wissenschaftlicher Konsens über idealtypische Therapieabläufe, deren Einhaltung beispielsweise mittels produktionswirtschaftlicher Methoden sicherzustellen ist.

Management-Weiterbildungen für medizinische Führungskräfte sinnvoll

Ärzte in Führungspositionen scheinen somit durchaus einen positiven Einfluss auf die Behandlungsqualität zu haben. Ökonomisches Fachwissen kann sie aber dabei unterstützen, etwa im Bereich der Prozessorganisation die Qualität weiter zu verbessern. Zwar ist die Bayreuther Studie eine der ersten, die diese Annahme empirisch stützt, in der Praxis sind Management-Weiterbildungen für Ärzte jedoch insbesondere in den USA bereits vergleichsweise weit verbreitet. Bereits ein Drittel der US-amerikanischen Krankenhäuser bietet eigens konzipierte Programme an. Die angehenden Mediziner können hier, bei Interesse und nachgewiesener Eignung, während des Studiums oder der Residency-Phase eine parallele Management-Weiterbildung durchlaufen (vgl. Kaplan und Swensen 2019). Zu den bekanntesten und umfassendsten Programmen zählen etwa jenes des Duke University Hospitals und des Brigham and Women’s Hospitals. Deren Teilnehmer gaben in Auswertungen stets hohe Zufriedenheitswerte an (vgl.Kahn und Gardin 2016).

Wo stehen wir im internationalen Vergleich?

Auch in Europa ist diese Entwicklung nicht grundsätzlich neu. So offeriert die Hospital Clínic de Barcelona bereits seit 1996 seinen Ärzten (und Pflegekräften!) ein duales Karriereprogramm und beteiligt sie aktiv im Klinikmanagement. In Deutschland steht diese Entwicklung an vielen Stellen noch am Anfang. Zwar existieren für Ärzte vielfältige Management- Studiengänge an den Hochschulen, nur wenige Kliniken bieten jedoch selbst Programme an, die an die eigenen Anforderungen und Bedürfnisse angepasst sind. Existieren interne Weiterbildungen, wie etwa an der Charité, orientieren sich diese an den Empfehlungen der Bundesärztekammer und vermitteln primär Führungskompetenzen. Diese sind zweifellos von hoher Bedeutung, decken jedoch nicht das gesamte Spektrum notwendiger Kompetenzen im Management ab.

Blick nach vorne – was sollte getan werden?

Wie sollten also interne Management-Programme für das klinisches Personal aussehen? Ein gemeinsamer Bericht der American Hospital Association und der American Medical Association betont, dass ein umfassender Kompetenzaufbau erfolgen muss. Über den zentralen Themenkomplex der Führung hinaus, sollten Management-Weiterbildungen für Ärzte etwa Kompetenzen in den Bereichen Projektmanagement, Daten- und Finanzanalytik, Gesundheitsökonomie sowie Organisationsentwicklung beinhalten (vgl. AHA & AMA 2015; Bohmer 2016).

Ein systematisches Review von Geerts und Kollegen fasst anhand der verfügbaren Evidenz zusammen, was zentrale Gestaltungsmerkmale derartiger Programme sein sollten. Hierzu zählen unter anderem vorangestellte Bedarfs- und Gap-Analysen (seitens des Krankenhauses und der Teilnehmer), eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis (durch Workshops, Praxisprojekte etc.), Feedback von Kollegen und Experten, eine aktive Selektion der Ärzte sowie eine Evaluation der Leistung des Programmes und der Teilnehmer (vor und nach der Weiterbildung). Auch hier wird deutlich, dass in der Regel kein one-size-fits-all-Ansatz existiert, sondern stets eine Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten, Strategien und Ziele der Organisationen erfolgen sollte (vgl. Geerts et al. 2020).

Auch in Deutschland existieren verschiedene Vorzeigeprojekte

Vor diesem Hintergrund ist in der deutschen Weiterbildungslandschaft noch Optimierungspotenzial festzustellen. Insbesondere im Bereich der privaten Krankenhausbetreiber existieren jedoch bereits Programme, die die Empfehlungen aus der Wissenschaft sehr umfassend umsetzen. So bietet die Sana Kliniken AG, einer der größten Klinikkonzerne in Deutschland, ihren ärztlichen Mitarbeitern bereits seit mehreren Jahren anforderungsspezifische Personalentwicklungsprogramme an. Neben Personalführung, werden Themen wie Rechnungswesen und Controlling, strategisches Management im Gesundheitswesen sowie Prozessmanagement abgedeckt und durch praxisnahe Planspiele oder Fallstudien vermittelt. Die Programme werden in Form von Workshops, individuellen Coachings sowie im Rahmen eines universitären Zertifikatslehrgangs angeboten und regelmäßig evaluiert.

Fazit

Festzuhalten bleibt somit, dass in der internationalen Kliniklandschaft der Nutzen interner Management-Weiterbildungen für Ärzte zweifelsohne erkannt wurde. Die Vorteile dieser Programme liegen etwa in einer guten Anpassung sowohl an die Strategien und Zielen der Organisation als auch an die Wünsche der Teilnehmer. Zwar existieren auch in Deutschland bereits verschiedene ausgesprochen elaborierte Programme, eine hohe Verbreitung dieser ist allerdings noch nicht festzustellen. Insbesondere bestehende Best-Practice-Ansätze und aktuelle Forschungsergebnisse können eine wertvolle Unterstützung bei der Entwicklung eigener Weiterbildungsangebote sein.

 

Literatur

AHA & AMA [American Hospital Association & American Medical Association] (2015): Integrated Leadership for Hospitals and Health Systems: Principles for Success. In: The Journal of the Oklahoma State Medical Association 108 (5-6), S. 281–288.

Bohmer, Richard M. J. (2016): The Hard Work of Health Care Transformation. In: The New England Journal of Medicine 375 (8), S. 709– 711.

Dorgan, Stephen; Layton, Dennis; Bloom, Nicholas; Homkes, Rebecca; Sadun, Raffaella; van Reenan, J. (2010): Management in healthcare, why good practice really matters. London: McKinsey and Company/London School of Economics.

Geerts, Jaason M.; Goodall, Amanda H.; Agius, Stevie (2020): Evidence-based leadership development for physicians: A systematic literature review. In: Social Science & Medicine 246 (epub ahead of print).

Goodall, Amanda H. (2011): Physician-leaders and hospital performance. Is there an association? In: Social Science & Medicine 73 (4), S. 535–539.

Kahn, Peter A.; Gardin, Tova M. (2016): The iatrogenic crisis of leadership: Status of residency training. In: Physician Leadership Journal 3 (4), S. 36.

Kaiser, Florian; Schmid, Andreas; Schlüchtermann, Jörg (2020): Physician-leaders and hospital performance revisited. In: Social Science & Medicine 249 (epub ahead of print).

Kaplan, Gary S.; Swensen, Stephen (2019): Leadership Skills Are Teachable and Vital. In: The New England Journal of Medicine Catalyst (December 2019), S. 1–18.

Tasi, Michael C.; Keswani, Aakash; Bozic, Kevin J. (2019): Does physician leadership affect hospital quality, operational efficiency, and financial performance? In: Health Care Management Review 44 (3), S. 256–262.

 

Bildnachweis: ElenaBuzmakova_Borisova auf pixabay.com

Dr. Florian Kaiser

Ich bin Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth im Bereich Gesundheitsökonomie. Promoviert habe ich über Managementqualifikationen im Krankenhaus. Neben dem Krankenhausmanagement befasse ich mich mit den Themen Datenanalyse und Digitalisierung im Gesundheitswesen.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ob es in Krankenhäusern Ärzte braucht die auch Management studiert haben obwohl es Managementebenen gibt, da mag ich mich nicht festlegen. Wenn die Schnittstellen reibungslos funktionieren würden und auf beiden Seiten Respekt und Verständnis für die jeweils andere Seite da wäre, wäre schon mal ein Anfang gemacht. Aber Ärzte die sich in ambulanten Praxen niederlassen – würden enorm Profitieren, und die Mitarbeiter und Patienten auch. Leider habe ich noch keinen niedergelassenen Arzt kennengelernt der ein guter Unternehmer ist. Sie kennen sich durchweg weder mit Personalführung aus, noch mit Arbeitsrecht, echter Qualitätssicherung, Richtlinien, Vorgaben ect. lassen sich aber auch nichts sagen und selten helfen. Der zunehmende Personalmangel besonders in Praxen und MVZs macht die Unfähigkeit vieler Ärzte in Bezug auf Managementfähigkeiten immer transparenter. In vielen anderen Branchen könnte man kein Unternehmen gründen ohne sich auszukennen, aber hier geht das. Ich kenne Unternehmensberater die Ärzte nicht mehr als Kunden annehmen weil sie als “beratungsresistent” gelten. Es gibt sicher Außnahmen aber meiner beruflichen Erfahrung nach sind die selten. Daher wäre ein Management Grundsemester sicher gut investierte Zeit.

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  • Hier pralln zwei unterschiedliche Studiengänge aufeinander. Ein “guter” Arzt muss sicher keine management Ausbildung haben. In der Führungsetage ist zweifellos das Fachwissen notwendig. Die Frage kommt unmittelbar auf, Weche Qualifikation is sinnnvoll, um keine Falsifikation in Hinsicht auf den Patienten darzustellen.

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