Blogbeitrag

#Detektei – Fall 1: Die Myopie

Generation Maulwurf: Wann und warum die Myopiewelle kommt

Kriminalfall #1 der Detektei Hashtag Gesundheit: die Myopie

Die Myopie ist den Brillenfachgeschäften bereits seit Längerem ein bekannter Wiederholungstäter, laut Trend- und Zukunftsforschern sowie Statistiken wird durch sie zukünftig ein globales Phänomen ausgelöst werden. Auch Forscher aus Tübingen (Frank Schaeffel, Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen) sind sich einig: Die Myopiewelle kommt!

Aufgrund dessen, dass viele Informationsquellen unabhängig voneinander diese Gefahr benennen und darüber Bericht erstatten und nachweislich ein Anstieg von Kurzsichtigen in der Bevölkerung zu verzeichnen ist, hat sich die Detektei HashtagGesundheit diesen Fall angenommen und recherchiert. Blicken wir zunächst auf die Entwicklung:

(C) MisterSpex

Schon früher kennzeichnete u. a. das Tragen einer Brille die gute Bildung des Brillenträgers, oder deutete zumindest auf vergleichsweise erhöhte Lesefreudigkeit hin. Bis heute leiden häufiger Akademiker und Abiturienten unter Kurzsichtigkeit (Myopie) als Menschen, die weniger Naharbeit, sprich Lese- und Bildschirmarbeiten in geschlossenen Räumen verrichten, denn rund 53 % aller Kurzsichtigen haben einen Hochschulabschluss. Im Jahr 2050 sollen dabei laut einer aktuellen Studie (Eurostat) weltweit jeder Zweite und somit rund fünf Milliarden Menschen kurzsichtig sein. Ob Myopie tatsächlich jemals die Volkskrankheit einer belesenen Gesellschaftsschicht war oder ist, ist einerseits naheliegend und ein expliziter Zusammenhang zwischen Bildung und Myopierate wurde durch die Gutenberg-Gesundheitsstudie 2014 belegt. Andererseits ist aber auch spätestens seit Anbruch des digitalen Zeitalters klar: langsam aber sicher wird die Generation vor dem Display zur Generation „Maulwurf“, weil die immer frühere und immer intensivere Nutzung von Tablets, Smartphones und künstlicher Belichtung das Sehvermögen nachweislich gefährdet. Die Steckbriefe der üblichen Tatverdächtigen (und offensichtlichen Übeltätern), die Gegenspieler in diesem Krimi sowie deine persönliche Rolle in Konstrukt stellen wir dir im Folgenden etwas genauer vor:

(C) MisterSpex

Die Myopie

Kurzsichtige Personen sehen Dinge in der Ferne nur unscharf oder verschwommen. Grund hierfür ist ein verlagerter Brennpunkt in deren Augen, der die eintreffenden Lichtstrahlen nicht wie bei normalsichtigen Personen auf der Netzhaut, sondern schon vorher bündelt, z.B. in Folge eines zu lang gewachsenen Augapfels.

Der Körper

Er und wir sind Gewöhnungstiere. Die Muskelstränge des Auges müss(t)en viel Energie dafür aufwenden, um die Naharbeiten und das reduzierte Tageslicht in Kombination mit vermehrt künstlichem Licht auszugleichen. Stattdessen passt sich der Augapfel der (neuen) Sehgewohnheit an, indem er stärker in die Länge wächst, um die Muskelkraft zu schonen. Leider resultiert daraus eine deutlich geringere Belastungsfähigkeit des Auges.

Das Verhalten

Der Morgen beginnt mit dem Checken der Mails und Nachrichten am Smartphone auf dem Weg zur Arbeit, wo später fast ausschließlich Zeit am Computer verbracht wird und nach Arbeitsschluss „Entspannung“ vor dem Fernseher gesucht wird. Die Bildschirmarbeit ist dabei heutzutage kein branchenspezifisches Phänomen mehr, denn tatsächlich findet sie nicht ausschließlich in den typischen Naharbeits-Jobs oder bei Studenten, jungen Arbeitnehmern, Büroangestellten und Gutverdienern statt, sondern nimmt auch in anderen Branchen stetig zum, wie aktuelle Studien belegen (Statistisches Bundesamt). Auch im Grundstücks- und Wohnungswesen, Gastgewerbe, Verarbeitenden Gewerbe und Baugewerbe stieg der Anteil der PC-Tätigkeiten zwischen 2003-2017 auf im Schnitt rund 95 %. Neben den veränderten Arbeitsbedingungen beeinflusst aber auch der immer frühere und somit intensivere digitale Erstkontakt die Augengesundheit insbesondere junger Personen, da die Entwicklung einer Myopie meist im Grundschulalter beginnt. Dieser ist insbesondere dadurch problematisch, da sich unsere Augen bis zum 30. Lebensjahr entwickeln und sich das Augenwachstum höchstwahrscheinlich nicht umkehren lässt. Die Digitalisierung verändert sowohl unsere Arbeitswelt, wie auch unser Privatleben. Der Anstieg der Nutzerzahlen von Facebook in den vergangenen zehn Jahren von 1,2 auf 32 Millionen, der zunehmende Absatz von Tageszeitungen (2012: 230.000 Exemplare, 2018: über 1,34 Millionen Exemplare) und Büchern im eBook-Format belegen den Einfluss der Digitalisierung unseres privaten Alltags. Und somit verbringen wir fast den gesamten Tag im Nahsichtmodus.

(C) MisterSpex

Der Zusammenhang

Die Kombination aus Naharbeit und künstlichem Licht, gepaart mit dem dadurch hervorgerufenen Mangel an Tageslicht (weil durch die Verweildauer vor dem Display immer weniger Zeit draußen verbracht wird) führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Myopie. Deutschland hängt zwar bekannterweise mit der Digitalisierung im internationalen Vergleich nach wie vor hinterher, dennoch sind Internet, Smartphone und Co. hierzulande kaum noch aus dem Alltag wegzudenken. Und insbesondere der Anstieg der Myopie im ostasiatischen Raum, wo in China laut einer Studie bspw. 90 % der Studenten kurzsichtig sind, beschreibt die Relevanz dieses weltweiten Phänomens, worüber sich Experten einig sind, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis „die Myopie-Welle kommt“ (Frank Schaeffel, Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen).

Die Chancen

Im Zuge der Digitalisierung lassen sich nicht nur Nachteile festhalten, sondern u. a. auch der Vorteil darin, dass z. B. jeder von überall aus seine Augengesundheit im digitalen Zeitalter durch eine frühzeitige Feststellung etwaiger Defizite am eigenen Sehvermögen checken kann und entsprechende Behandlungsschritte rechtzeitig einleiten kann. In den USA gibt es bereits heute Anbieter von Online-Sehtests, deren Markteintritt in naher Zukunft in Deutschland zu erwarten (erhoffen) ist.

Die Maßnahmen

Die Entstehung der Myopie ist ein schleichender Prozess. Um diesen entgegenzuwirken, ist grundsätzlich eine regelmäßige Überprüfung des Sehvermögens zu empfehlen – insbesondere dann, wenn man zu der Risikogruppe der Naharbeiter gehört.

Und jetzt zu dir

Neben dem klassischen Sehtest zur Vorbeugung von naharbeitsbedingter Myopie stellen wir dir im Folgenden weitere Mittel und Wege für deinen Alltag vor, um nicht nur der Myopie vorzubeugen, sondern auch deine Sehkraft aktiv zu stärken.

  • #1: Bewusstes Blinzeln entlastet deine Augen, da der Tränenfilm gleichmäßig verteilt wird. Noch effektiver als häufiges Blinzeln ist jedoch ein längeres Augenschließen. Am allerbesten ist es, die Augen einmal pro Stunde für 15 bis 30 Sekunden zu schließen.
  • #2: Lenke deinen konzentrierten Blick vom Monitor zwischenzeitlich kurz weg in die Ferne.
  • #3: Verbringe (wieder) mehr Zeit draußen, wo deine Augen bewusst den Blick in die Ferne suchen. Outdoor times‘ zur Vorbeugung von Kurzsichtigkeit sind wissenschaftlich am Stärksten begründet.
  • #4: Gestalte deinen Arbeitsplatz so gesund wie möglich, indem dein Bildschirm und die Schriftgröße ausreichend groß ausfallen. Achte auch auf die Ausrichtung deines Bildschirms, dessen Oberkante im Idealfall auf Augenhöhe liegt. Der Abstand deiner Augen zum Bildschirm sollte zwischen 45 bis 70 Zentimetern liegen.
  • #5: Die Umgebung am Arbeitsplatz ist dann am augenschonendsten, wenn du genügend Fenster für einen ausreichenden Tageslichteinfall vorfindest, regelmäßig mit Frischluft gelüftet und auf Klimaanlage verzichtet wird (wenig trockene Zugluft, Luftfeuchtigkeit von über 40 % empfehlenswert).
  • #6: Eliminiere, so gut es geht, den hohen Blaulichtanteil deiner digitalen Geräte, insbesondere abends (weil das Blaulicht die Produktion von Melatonin hemmt und somit Schlafstörungen fördert). Dies kann mittels spezieller Apps durch Umschalten auf warmes gelbes Licht erfolgen (bei iOS unter Einstellungen) oder auch mithilfe einer speziellen Brille, die die eintreffenden Blaulichtwellen abschirmt.
  • #7: Praktiziere regelmäßig Augenyoga, wo du deine Augen in alle Richtungen rundum bewegst, die Augenmuskeln somit achtsam trainierst und in Verbindung mit einer gleichmäßigen Atmung dein gesamtes Nervensystem entspannen und stärken kannst.
  • #8: Gönne dir eine Augenmuskel-Massage, bei der du die Augenbrauen bewusst hochziehst, die Augen fest zusammenkneifst und dabei die Muskeln um die Augenpartie herum massierst (warme Kräuterkissen auf den Augen entspannen zusätzlich die Augenmuskeln).

Die Lösung des Falls

Der digitale Lebensstil beeinflusst unsere Sehleistung unmittelbar. Die Tatsache, dass die Digitalisierung in Deutschland langsamer als in anderen Industrieländer voranschreitet, ist einerseits ärgerlich, dies sollten wir uns allerdings vor dem Hintergrund unserer Augengesundheit zu Nutze machen – indem wir die (in Deutschland bis dato fehlenden) Studien und Daten zur Myopie junger Menschen anderer Länder als Warnhinweis wahrnehmen und dem entgegenarbeiten. Zwar kann eine Brille als Statussymbol für gute Bildung dienen und sie erscheint dem ein oder anderen evtl. als hinnehmbares (Schönheits-)Accessoires, dennoch darf die Gefahr des künstlichen Lichts sowohl auf unsere Augen- als auch auf die gesamte körperliche Gesundheit (Einfluss auf Hormonhaushalt) nicht unterschätzt werden. Einige Maßnahmen für eine gute Augengesundheit sind nicht Prävention für Myopie, sondern wirken sich auch positiv auf den gesamten Körper und Geist aus (Entspannungstechniken gegen Stress). Und am Ende ist eine Brille auch nur ein weiteres (medizinisches) Hilfsmittel, das Ressourcen beansprucht, die an anderer Stelle gesundheitlicher Einschränkungen vermutlich dringender und unvermeidlicher benötigt werden. Denn letzten Endes ist es grundsätzlich ratsam, den vermeidbaren gesundheitlichen Problemen mehr Beachtung zu schenken und es mittels Prävention gar nicht erst zur Entstehung dieser kommen zu lassen.

Hintergrundinformationen

Ergänzungen zu unseren Ermittlungsergebnissen und interessante (und beeindruckende) Zahlen, Daten und Fakten zur Augengesundheit findest du im hier verlinkten Artikel.

Stefanie studiert Management und Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen in Berlin. Nebenbei arbeitet sie bei einem Kassenverband auf Bundesebene.

Themen wie Gesundheitssystementwicklung und Versorgungsforschung machen es für sie spannend, sich mit unserem Gesundheitswesen über alle Sektoren hinweg zu beschäftigen. Der Interessenschwerpunkt liegt dabei in der Konzeption, Implementierung und Evaluierung neuer Versorgungsmodelle.

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